Wer nach einer Scheidung nachehelichen Unterhalt erhält, verlässt sich oft auf eine gewisse finanzielle Absicherung. Doch was viele nicht wissen: Eine neue feste Beziehung kann diesen Anspruch dauerhaft entfallen lassen – selbst dann, wenn die neue Partnerschaft wieder scheitert. Ein aktueller Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg (OLG Brandenburg, 15.08.2024 — 13 UF 191/23) macht dies deutlich und bestätigt die strenge Linie der Rechtsprechung.
Wann besteht Anspruch auf nachehelichen Unterhalt?
Nach einer Scheidung kann einem Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen nachehelicher Unterhalt zustehen. Dies gilt z. B. dann, wenn:
- ein Partner aufgrund der Kinderbetreuung nicht voll arbeiten kann,
- ein erheblicher Einkommensunterschied besteht,
- ehebedingte Nachteile die wirtschaftliche Eigenständigkeit einschränken,
- eine Krankheit oder ein Alter die Erwerbsfähigkeit mindert.
Der Grundgedanke: Wer durch die Ehe Nachteile erlitten hat, soll im Rahmen der sogenannten ehelichen Solidarität für eine Übergangszeit abgesichert sein. Allerdings: Dieser Anspruch ist nicht unbegrenzt – und kann unter bestimmten Bedingungen vollständig entfallen.
Was bedeutet „verfestigte Lebensgemeinschaft“?
Das Gesetz (§ 1579 Nr. 2 BGB) regelt ausdrücklich, dass der Anspruch auf Unterhalt entfällt, wenn der Berechtigte in einer verfestigten neuen Partnerschaft lebt. Diese muss nicht ehelich sein – eine nichteheliche Lebensgemeinschaft genügt, sofern sie einem eheähnlichen Verhältnis gleichkommt.
Typische Merkmale einer solchen Gemeinschaft sind:
- Gemeinsames Wohnen: dauerhaft, nicht nur zeitweise.
- Wirtschaftliche Verflechtung: z. B. gemeinsamer Haushalt, geteilte Kosten, gemeinsame Versicherungen.
- Auftreten als Paar: gemeinsames Erscheinen bei Familienfeiern, im Freundeskreis, in sozialen Medien etc.
- Dauer und Stabilität: Gerichte gehen meist ab ca. einem Jahr stabilen Zusammenlebens von einer Verfestigung aus – mit Tendenz zur Einzelfallprüfung.
Wichtig: Es kommt nicht nur auf die Dauer, sondern auf die Gesamtumstände und die Außenwirkung der Beziehung an.
Was sagt das OLG Brandenburg ?
Im konkreten Fall forderte ein geschiedener Mann von seiner Ex-Frau rund 700 € nachehelichen Unterhalt monatlich – mit Verweis auf ihre besseren Einkommensverhältnisse. Die Frau verweigerte die Zahlung mit der Begründung, dass ihr Ex-Mann seit längerem mit seiner neuen Partnerin – der Mutter seines jüngsten Kindes – in einer festen Beziehung lebe.
Das Gericht stellte fest:
- Die Beziehung sei verfestigt, da der Mann mit seiner Partnerin dauerhaft zusammenlebe,
- wirtschaftlich eng verflochten sei,
- und sie sich gemeinsam als Paar in der Öffentlichkeit zeigten.
Der Anspruch auf Unterhalt sei damit gemäß § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt – und zwar endgültig.
Besonders bedeutsam:
Selbst wenn die neue Beziehung später endet – wie im entschiedenen Fall –, bleibt der Unterhaltsanspruch dauerhaft ausgeschlossen. Das Gericht stellte klar: Die Verwirkung ist unwiderruflich, vergleichbar mit einer Wiederverheiratung.
Gibt es Ausnahmen?
In Härtefällen kann trotz neuer Beziehung ein Unterhaltsanspruch fortbestehen, z. B. wenn:
- die Ehe sehr lange gedauert hat,
- ein Ehepartner wegen der Ehe massive berufliche Nachteile erlitten hat,
- eine besondere Schutzbedürftigkeit vorliegt.
Im konkreten Fall versuchte der unterhaltsberechtigte Mann geltend zu machen, dass er wegen eines Umzugs im Rahmen seiner früheren Beamtenkarriere Einkommensnachteile erlitten habe. Das OLG sah jedoch keinen ehebedingten Nachteil und lehnte eine Ausnahme ab.
Was bedeutet das für geschiedene Ehepartner?
Der Beschluss des OLG bestätigt eine wichtige Grundregel im Familienrecht:
Wer sich nach der Scheidung auf eine neue feste Beziehung einlässt, verwirkt unter Umständen seinen Anspruch auf Unterhalt – dauerhaft.
Neue Beziehung: kein Unterhalt mehr vom Ex.
Das gilt unabhängig davon, ob die neue Beziehung später wieder zerbricht. Maßgeblich ist allein, dass sie zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als „verfestigt“ anzusehen ist.
Praxistipps für Betroffene
- Lassen Sie Ihre Situation frühzeitig prüfen: Wer unsicher ist, ob eine neue Beziehung bereits als verfestigt gilt, sollte sich anwaltlich beraten lassen – etwa zur Gestaltung von Wohn- und Haushaltsverhältnissen.
- Dokumentieren Sie wichtige Umstände: Wenn Sie Unterhalt verweigern oder geltend machen möchten, brauchen Sie Belege – etwa über gemeinsame Konten, Wohnverhältnisse oder öffentliche Auftritte.
- Beachten Sie die Außenwirkung: Selbst wenn keine gemeinsame Wohnung besteht, kann die Beziehung durch wiederholte gemeinsame Urlaube, öffentliche Auftritte oder soziale Medien als verfestigt gelten.
- Achten Sie auf Ihre Kommunikation: Auch Aussagen gegenüber Behörden oder Dritten („wir leben zusammen“) können später als Indizien gegen Sie verwendet werden.
Fazit
Der Beschluss des OLG Brandenburg ist rechtlich eindeutig – und für viele Betroffene ein Weckruf: Eine neue feste Beziehung kann den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt dauerhaft beenden. Wer seine Rechte sichern möchte, sollte frühzeitig handeln, sich beraten lassen und nicht allein auf die Hoffnung setzen, dass spätere Veränderungen zu einem Unterhaltsanspruch führen könnten.
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